Wenn du dich klein fühlst
- Rainer Harter
- 5. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Es gibt diese Momente, in denen man sich einfach … zu wenig fühlt. Zu leise. Zu schlicht. Zu ungebildet. Zu gewöhnlich.
Gefühle der Unterlegenheit schleichen sich oft unbemerkt ein – beim Smalltalk auf einer Party, in einem Leitungskreis, während eines Gesprächs über Theologie oder Kultur. Plötzlich flüstert eine Stimme in dir:
„Was willst du hier? Du passt nicht dazu.“
Vielleicht kennst du solche Situationen. Ich kenne sie. Man sitzt mit Menschen zusammen, die präzise argumentieren, brillant analysieren, komplexe Zusammenhänge mühelos verknüpfen – und spürt, wie man innerlich schrumpft. Man vergleicht sich. Und verliert.
Oder besser gesagt: Man glaubt, dass man verliert.
Ich habe einen Freund, dessen gedankliche Schnelligkeit mich regelmäßig in solche Empfindungen schubste. Der Versuch, mit ihm in diesem Bereich mitzuhalten, war stets aussichtslos. Für unsere Freundschaft bedeutete das: Ich musste meinen Gefühlen der Unterlegenheit ins Auge schauen und damit aufhören, mich zu vergleichen. Warum schmerzte es mich, unterlegen zu sein? Und: Was eigentlich glaubte ich, zu verlieren?
Mit der Zeit wurde mir zweierlei klar: Erstens, mein Freund sieht nicht von oben auf mich herab. Er begegnet mir nicht aus einer Position der Überlegenheit, sondern schätzt mich – so, wie ich bin.
Zweitens: Ich darf anders sein. Nicht weniger. Nur anders. Diese Erkenntnis hat einen Knoten gelöst, der mich innerlich unter Druck gesetzt hatte. Der Wunsch, „ebenbürtig“ zu sein, wich der Freiheit, ich selbst zu sein.
Meine Geschichte lässt mich an Jesus denken, der alle Weisheit und Erkenntnis in sich trägt, und doch seine göttliche Überlegenheit nie dazu genutzt hat, Menschen kleinzumachen. Im Gegenteil. Er wurde Mensch. Verwundbar. Angefochten. Verspottet.
Er kam nicht, um zu brillieren, sondern um zu lieben. Nicht, um zu beeindrucken, sondern um zu retten.
Und ich denke an Petrus – den, der Jesus dreimal verleugnet hatte. Als er seinem Meister am Seeufer begegnet (Johannes 21), stellt Jesus ihm keine theologischen Prüfungsfragen. Er fragt nicht nach Tiefe der Erkenntnis, sondern nur:
„Liebst du mich?“
Im Reich Gottes ist es anders als in unserer Welt, in der es einen ständigen Kampf um Positionen gibt. Nicht unsere Brillanz entscheidet vor Gott. Sondern unsere Liebe.
Vielleicht gibt es Menschen, die sich dir überlegen fühlen und es dich sogar spüren lassen. Vielleicht hält dich das manchmal davon ab, deine eigenen Gaben einzubringen. Dann erinnere dich daran: Bei Jesus bist du nicht falsch. Nicht zu wenig. Nicht unterlegen.
Seine Frage an dich lautet nicht:
„Wie klug bist du?“,
sondern:
„Liebst du mich?“
Und wenn du Ja sagst, genügt das.
Alles Liebe. Rainer
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