Wie Glaubensüberzeugungen den Lebensstil prägen
- Rainer Harter
- 10. Juni
- 3 Min. Lesezeit

Ich beobachte gerne andere Menschen. Ihr Denken, ihre Prägungen und ihre Glaubensüberzeugungen sind das Drehbuch für den Film, in dem sich ihr Leben abspielt. Sie legen fest, wer die Hauptrollen spielt, welcher Erzähler die Stimme führt und welche Dramaturgie die Szenen verbindet. Selbst der soundtrack, die Farben und die Kameraführung werden davon maßgebend beeinflusst.
Manche Menschen scheinen ständig in einem Drama gefangen zu sein, andere bewegen sich wie in einem Abenteuerfilm oder gar in einem Verschwörungsthriller. Und so unterschiedlich die Genres auch sein mögen, sind alle diese Filme interessant, denn sie sind echt: Es sind Lebensgeschichten, die hier auf der Leinwand des Alltags ablaufen.
Allerdings enthält jeder dieser Filme auch eine fiktiven Anteil, der sich aus den Annahmen ergibt, die wir alle treffen und aus unserem Glauben. Basierend auf diesen Prämissen interpretieren wir das, was sich in unserem Film abspielt und treffen die Entscheidungen, wie wir als Hauptdarsteller darauf reagieren. So schreiben unsere Überzeugungen fortlaufend den Plot - Szene um Szene.
Auch wir Christen leben auf diese Weise. Und obwohl wir uns einig darüber sind, wer in unserem Fall Regie führt, welches Thema unser Film behandelt und dass unsere Geschichte ein Happy End haben wird, unterscheiden sich die Genres dennoch erheblich. Auch bei uns gibt es Dramen, Abenteuer und Thriller.
Die entscheidende Frage lautet:
Wie können wir Christen am besten in genau dem Film leben, für den der größte Drehbuchautor – zugleich der erfahrenste Regisseur von allen – uns die Hauptrolle zugedacht hat?
Die Antwort lautet: Wir müssen das Drehbuch in jedem Detail kennen. Ein oberflächliches Überfliegen genügt nicht, und bei einem (lebenslangen) Film ist auch ein einmaliges Lesen weit entfernt von ausreichender Vertrautheit. Je tiefer wir es verinnerlichen und je besser uns Plot und Regieanweisungen vertraut sind, desto überzeugter und freudvoller können wir unsere Rolle spielen. Und zugleich befreit uns ein tiefe Verständnis der Absichten des Autors von mühsamen, anstrengenden Sichtweisen, die er beim Schreiben unseres Films nie vorgesehen hat.
Ich beobachte gerne den Lebensfilm anderer Christen. Dabei fällt mir auf, dass einige das Drehbuch zwar gelesen haben, es aber aus ihrer eigenen Perspektive interpretieren und dem Autor Absichten unterstellen, die im Text gar nicht stehen. Noch problematischer wird es, wenn sie die Deutung der Geschichte Dritten überlassen, anstatt sich selbst gründlich damit auseinanderzusetzen.
Ich spreche hier natürlich von der Bibel. Allzu oft beobachte ich, wie Christen sich eher an Sekundärwerken geistlicher Autoren orientieren, statt am Urtext selbst. Oder sie konstruieren Zusammenhänge, wo keine sind, und interpretieren biblische Narrative durch vorgefertigte Brillen. Das führt dazu, dass manche beständig in einem apokalyptischen Weltuntergangsdrama leben – eine Rolle, die nur ermüdet. Am anderen Ende des Spektrums stehen Lebensfilme, die wie eine heile‑Heidi‑Idylle oder eine endlose Erfolgsgeschichte wirken, in denen Spannung und das Ringen um Wahrheit völlig fehlen.
Eine besondere Kategorie bilden jene Lebensfilme, die sich vornehmlich um die geistliche Welt drehen. Hier sind die eigenen Konstruktionen oft am üppigsten, und die Worte des Autors – also Gottes – werden zuweilen in ein künstliches Korsett gezwängt, das so im Text gar nicht existiert. Manche dieser Inszenierungen gleichen für mich regelrechten Fantasy-Filmen. Die können zwar durchaus spannend sein, aber sie stellen eben nicht die Realität dar.
All das betrifft mich selbst genauso.
Deshalb habe ich mich vor einiger Zeit bewusst aufgemacht, meine eigenen Deutungen eines bestimmten Erzählstrangs der Bibel – soweit möglich – beiseitezuschieben, um die Worte des Autors neu in ihrem ursprünglichen Kontext zu lesen. Besonders wertvoll ist für mich dabei auch der Blick auf die ersten Christen und die frühe Kirche: Viele von ihnen waren Augen- und Ohrenzeugen, als der Autor des Lebens selbst seine Geschichte erzählte und seinen Nachfolgern aufzeigte, wie sie ihre Rolle darin spielen sollten.
Ich wünsche dir von Herzen, dass du dieses geniale Drehbuch immer tiefer kennenlernst und dich nicht vorrangig mit den Zusammenfassungen anderer zufriedengibst. Du wirst sehen: du findest die beste Rolle deines Lebens.
Alles Liebe. Rainer
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