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Sprachlosigkeit im Gebet überwinden

  • Autorenbild: Rainer Harter
    Rainer Harter
  • vor 2 Tagen
  • 3 Min. Lesezeit

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Was haben Wein und Gebet gemeinsam?



Für viele schmeckt Wein meist einfach nach – Wein.



Aber dann gibt es diejenigen, die ein Glas in Händen halten und dabei über gut eingebundene Säure, erdige Grundnoten, fruchtige Aromen oder einen Hauch von schwarzer Johannisbeere reden.


Wenn man mit solchen Menschen Wein trinkt, fragt man sich manchmal, ob wirklich alle dasselbe im Glas haben. Aber die Betreffenden schmecken nicht unbedingt mehr als du oder ich – sie haben nur gelernt, Worte dafür zu finden.

Sie haben sich eine Sprache angeeignet, die ihnen hilft, Eindrücke zu benennen, Nuancen wahrzunehmen und das Erlebte miteinander zu teilen.


Ohne Sprache bleiben Geschmackserlebnisse vage.

Durch Sprache aber werden sie lebendig und für andere nachvollziehbar.



Dies trifft auch auf unser Gebetsleben zu.


Es gibt Christen, deren Sprache im Gebet nicht weit reicht. Manche wissen bereits nach wenigen Minuten nicht mehr, was sie Gott noch sagen könnten.

„Ich weiß nicht, was ich beten soll“ sagen sie. Oder „Ich fühle mich irgendwie sprachlos vor Gott.“ Oder: „Ich würde ja gern beten, aber mir fehlen die Worte.“


Das ist nichts Schlimmes. Kein Mensch kommt mit einer „fertigen Sprache für Gott“ zur Welt.

Es ist zutiefst menschlich, dass wir Sprache finden müssen, die dem Kontext entspricht, in dem wir sprechen wollen: Wir sprechen mit unserem Chef anders als mit unserem besten Freund; mit unseren Kindern anders als mit unserem Ehepartner.


Gebet ist eine Beziehungssprache. Und jede Beziehungssprache muss sich entwickeln, denn sonst entwickelt sich auch die Kommunikation in der Beziehung nicht weiter.


Ich habe gerade einen weiteren Enkel geschenkt bekommen. Alles, was er von sich gibt sind kleine quietschende Laute, Seufzer und Schreie. Meine Tochter versteht ihn dennoch genau. Aber es wird in ihrer Beziehung nicht bei diesen elementaren Äußerungen bleiben. Ihre Beziehung wird sich durch Sprache vertiefen und ihr gegenseitiges Verstehen erweitern.


Wenn wir für Wein keine Sprache haben, bleibt unser Geschmackserlebnis oberflächlich. Wenn wir in unseren Beziehungen sprachlich im Kindesstadium stehen bleiben, bleiben unsere Beziehungen oberflächlich. Weil aber Beziehung bedeutet, sich auszutauschen, kann Sprachlosigkeit sogar zum Erstarren einer Beziehung führen. Das gilt auch für unsere Beziehung zu Gott. Wenn wir vor Gott sprachlos werden, wird das Gebet anstrengend und distanziert.



Sprache entsteht durch Übung


Meine Kinder und Enkel haben beim Erlernen von Sprache kontinuierlich Fortschritte gemacht. Es gab dabei auch immer wieder die lustigsten Wortschöpfungen oder Buchstabendreher. Aber so erheiternd diese waren, für einen  Erwachsenen wären sie nicht mehr passend. Auch Weinkenner haben ihr Fachvokabular nicht an einem Abend gelernt. Sie haben probiert, verglichen, zugehört, notiert. Sie haben die Fähigkeit entwickelt, bewusst wahrzunehmen, was sie erleben und es dann auszusprechen.


Im Gebet ist es genauso:


  • Wir lernen, Worte für unsere Freude zu finden.

  • Worte für unsere Sorgen.

  • Worte für unseren Schmerz.

  • Worte für unsere Hoffnung.

  • Worte für die Schönheit Gottes.

  • Worte der Anbetung.


Und mit den Worten wächst unser „inneres Geschmacksempfinden“ für die Gegenwart Gottes und das Wirken des Heiligen Geistes. Wir beginnen, Nuancen wahrzunehmen, die wir vorher nicht benennen konnten.



Beten kann man lernen


Ich möchte dich ermutigen, die Sprache des Gebets zu erlernen.


1. Fang damit an, ganz einfache Sätze zu beten


„Jesus, ich danke dir für …“

„Vater, ich brauche dich in …“

„Heiliger Geist, zeig mir …“



2. Sprich nicht formell, sondern ehrlich


Gott erträgt deine Ehrlichkeit. Sie ist besser als dein Schweigen.



3. Nutze die biblischen Gebete als Sprachschule


Erforsche beispielsweise das Vaterunser und lerne, seine Anliegen mit eigenen Worten zu formulieren.



4. Wiederhole, was Gott selbst sagt


Wenn du seine Worte betest, wächst dein  Gebetsvokabular.




Gebet ist Geschmackssache – im besten Sinne


Je mehr Weinkenner ihre Sprache entwickeln, desto mehr entdecken sie im Wein. Nicht, weil der Wein sich verändert – sondern weil sie selbst sich verändern.


Auch das trifft auf Gebet zu.


Wenn du beginnst, Worte für das zu finden, was du in Gottes Nähe erlebst, wird dein Gebetsleben reicher, tiefer und echter. Du wirst dann Dinge „schmecken“, die du vorher nicht wahrgenommen hast. Und dabei gibt es viel mehr zu entdecken, als man beim besten Wein entdecken kann:


"...deine Liebe ist köstlicher als Wein." Hohelied 1,2



Das Gebet ist der Ort, an dem sich durch Worte die Türen zu Wahrheit und Schönheit öffnen.



Alles Liebe.

Rainer


 
 
 
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