Erinnerungen
- Rainer Harter
- 30. Dez. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 3. Jan.

Zur Winterzeit gibt es meist einen Samstag, an dem ich mir die Zeit nehme, unseren Keller aufzuräumen. Bei dieser Arbeit – die übrigens nach ihrer Fertigstellung ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit in mir auslöst – stoße ich immer wieder auf Gegenstände aus den letzten Jahrzehnten, von denen ich mich bislang nicht trennen konnte.
Viele dieser Dinge sind mit Erinnerungen verbunden – so etwa die Nummernschilder unserer ersten Familienkutsche, die uns über viele Jahre begleitet hat. Oder mein allererster Werkzeugkasten, der mit seinen ausgeleierten Scharnieren ungenutzt in einer Ecke auf der Werkbank steht. In einem der Regale steht sogar eine Schachtel mit alten Armbanduhren. Darin befindet sich unter anderem eine Quarzuhr von Timex, die ich zu meiner Erstkommunion geschenkt bekam und auf die ich damals sehr stolz war.
Unser Keller ist eine wahre Schatzkiste der Erinnerungen: Rollerblades aus der Jugendzeit meiner Frau, aufblasbare Schwimmtiere unserer Kinder, alte Schuhe und Sonnenschirme, abgelegte Brillen, Schnorchelausrüstungen, eine Kiste mit Krimskrams aus der Jugend, Farbeimer und andere, kaum mehr genutzte Dinge verharren das ganze Jahr über stumm in den Regalen. Doch am Tag des Aufräumens scheinen sie zum Leben zu erwachen. Plötzlich erheben sie ihre Stimmen und erzählen Geschichten von früher – von längst vergangenen Sommern, Abenteuern und besonderen Momenten, die sich tief in unser Gedächtnis eingegraben haben.
Sie wecken Erinnerungen an vergangene Erfahrungen und Zeiten. Sie sind wie Fotos aus der Vergangenheit, nur in 3D – greifbar und lebendig. An ihnen haftet der Geruch der Erlebnisse, bei denen sie einst eine wichtige Rolle gespielt haben, für immer. Ein Hauch von Sommerferien, ein Anflug von Kinderlachen – all das scheint in diesen Gegenständen eingefangen zu sein.
Ich mag diese alten Sachen, selbst wenn viele davon wahrscheinlich nie wieder gebraucht werden. Sie sind wie kleine Ankerpunkte in der Flut der Zeit, die mich daran erinnern, woher ich komme und was mich geprägt hat. Manchmal genügt ein Blick auf einen dieser Gegenstände, um längst vergessene Momente wieder aufleben zu lassen.
Dann kann es passieren es, dass ein längst abgelegter Gegenstand zu neuem Leben erweckt wird. So war es auch letzten November, als meine Tochter nach einer Laterne für den St.-Martins-Umzug suchte, zu dem sie mit meinen Enkeln gehen wollte. Stolz konnte ich die selbstgebastelten Laternen von ihr und ihren beiden Brüdern aus dem Keller holen, die ich (natürlich!) aufgehoben hatte. Ein kleines Stück Kindheit, das wieder lebendig wurde.
Schön war der Aufräum-Samstag – oder besser gesagt, „die Aufräum-Samstage“, denn dieses Jahr wurde ich an einem einzigen Tag nicht fertig. Ein Grund dafür war, dass ich zusätzlich noch Regale für die gefühlt tausende von leeren Gläser gebaut habe, die meine Frau im Laufe der letzten Jahre gesammelt hat. Aber diese Mühe hat sich gelohnt. Schließlich darf ich auch die herrlichen Marmeladen genießen, die sie immer wieder herstellt.
Übermorgen beginnt ein neues Jahr. Wieder wird unser Keller in dessen Verlauf Staub ansetzen, weil dort auch meine Tischkreissäge steht, die einen feinen Staubfilm auf alle umliegenden Gegenstände legt, wenn ich sie benutze. Spinnen werden neue Netze spinnen, und weitere Dinge werden ihren Platz in den Regalen finden – Dinge, die mitsamt ihren Geschichten darauf warten, eines Tages wiederentdeckt zu werden. Es werden neue Erinnerungen hinzukommen – einige davon werden uns prägen, während andere nur kurz aufblitzen und dann verblassen.
Ähnlich kann es auch unserem Herzen und unserer Seele ergehen. Wir werden im neuen Jahr neue Menschen, Dinge und Beschäftigungen ins Herz schließen. Und wir werden es hoffentlich auch schaffen, manches loszulassen, das uns belastet oder uns unnötig Kraft raubt.
Ich wünsche dir am Ende dieses Jahres einen dankbaren Blick zurück auf dein bisheriges Leben. Erinnere dich an die guten Erlebnisse, an die Momente der Freude und des Friedens. Trotz aller Kämpfe, die du gewonnen oder verloren hast, darfst du mit Hoffnung in das neue Jahr starten. Du bist noch immer hier, und das allein ist ein guter Grund, um dankbar zu sein.
Für das neue Jahr wünsche ich dir die Nähe und den Segen des lebendigen Gottes, des Vaters von Jesus Christus. Mögest du mit ihm durch das Jahr 2025 gehen und am Ende gemeinsam mit ihm auf das zurückblicken, was gewesen ist. Möge er dir zeigen, was aussortiert werden muss und was du in deinem Herzen bewahren solltest. Möge er dich mit seiner Weisheit und seinem Frieden begleiten, damit du das Neue, das vor dir liegt, in seiner Führung erleben kannst.
Alles Liebe. Rainer
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