Ich glaube, was ich glauben will.
- Rainer Harter
- vor 12 Minuten
- 4 Min. Lesezeit

Die Berichterstattung über die Geschehnisse in Gaza und im Westjordanland macht mir wieder einmal bewusst, wie sehr unsere Medienlandschaft von politischen, religiösen oder weltanschaulichen Prägungen beeinflusst ist – und wie leicht wir als Menschen manipulierbar sind.
Wir tendieren dazu, das für wahr zu halten, was unserem Weltbild, unserem Glauben oder unseren Ängsten entspricht.
Was nicht passt, wird kurzerhand als Lüge oder Manipulation abgetan. In den Sozialen Medien postet jeder seine persönliche Wahrheit, die er mit entsprechenden Links zu untermauern sucht.
Am meisten schmerzt es mich, wenn Christen auf diese Weise handeln oder sich dazu einspannen lassen, Unwahrheiten zu posten.
Ich möchte drei kurze Beispiele nennen, die mir persönlich begegnet sind:
1. Der „satanische Priester“
Ein Video sollte meine Bemühungen um christliche Einheit – besonders die Zusammenarbeit mit katholischen Geschwistern – in Misskredit bringen. Darin war ein katholischer Priester während einer Messe zu sehen, scheinbar den Satan anbetend - In Flagranti erwischt!
Es kostete mich als Nicht-Katholik etwa zehn Minuten Zeit, um herauszufinden, dass es sich bei dem Video um einen Ausschnitt aus derm Osterlobgesang handelte, der in der Osternacht gesungen wird.
Dort heisst es:
„Flammas eius lúci fer matutínus invéniat:Ille, inquam, lúci fer, qui nescit occásum.“
Auf Deutsch:
„Strahlend leuchte sie (die Osterkerze), bis der Morgenstern erscheint, jener wahre Morgenstern, der in Ewigkeit nicht untergeht.“
Das lateinische lúcifer bedeutet wörtlich „Lichtträger“ – ein uraltes Bild für Christus. Dennoch verbreitete sich das Video rasend schnell – und der Schaden war längst geschehen.
2. Das „Heilungswunder“
Ein bekannter Prediger postete ein Video, in dem eine Frau mit grotesk abgeknicktem Arm vor laufender Kamera geheilt wurde – so schien es. Der Arm richtete sich gerade und sah nach einer spektakulär anzusehenden Transformation gesund aus. Viele waren berührt und teilten das Video sofort.
Ich recherchierte. Wieder waren nur wenige Minuten nötig, bevor klar wurde: Die Frau leidet an einem alten, nicht korrekt verheilten Bruch, der es ihr ermöglicht, ihren Arm unnatürlich abzuknicken und anschließend eine Streckbewegung bewusst auszuführen. Sie verdient ihr Geld mit dieser Demonstration einer „Heilung“ .
Was mich dabei am meisten traf: Der Prediger hatte das Video ungeprüft gepostet.
3. Der „israelfreundliche Journalist“
Ein Freund leitete mir kürzlich einen Text weiter, der angeblich von einem renommierten Journalisten des Daily Telegraph verfasst worden war. Darin begründete der Autor – entgegen der sonst oft kritischen Haltung vieler seiner Kollegen – warum Israel weltweit so viel Ablehnung erfährt und was das jüdische Volk in seinen Augen besonders macht. Er führte das auf Israels Erwählung durch Gott zurück (vgl. Röm 11,28–29).
Der Text war sprachlich stark, leidenschaftlich und schien auf den ersten Blick durchdacht und theologisch tragfähig. Ich war geneigt, ihn weiterzugeben, aber vorher prüfte ich zuerst die Quelle. Die Recherche ergab: Den genannten Journalisten gibt es zwar, doch der Artikel stammt nicht von ihm. Was mich dabei traurig macht: Warum missbraucht jemand den Namen und das Renommee eines anderen, um seine – inhaltlich durchaus fundierten – Argumente zu untermauern?
Diese drei Beispiele stehen stellvertretend für ein größeres Muster: Wir neigen dazu, Informationen weiterzugeben, die unser Weltbild bestätigen. Manchmal prüfen wir nicht einmal die Quellen, weil der Artikel oder Post uns in unseren Überzeugungen unterstützt. Das ist menschlich – und doch gefährlich. Kriminell wird es dann, wenn - wie im dritten Beispiel - so getan wird, als ob die selbst geschriebenen Worte aus einer anerkannten Quelle stammen.
Wenn wir unsere Informationsquellen nicht sorgfältig prüfen und nur das lesen oder hören, was uns bestätigt, verlernen wir, in Wahrheit zu leben.
Wir werden dann – ohne es zu wollen – zu Populisten und Wahrheitsleugnern.
Mich schmerzt es jeweils, wenn ich die Kombination von Leichtgläubigkeit, Verdrängung und Oberflächlichkeit wahrnehme. Am größten ist der Schmerz, wenn ich diese Mischung bei Christen entdecke.
Dabei brauchen wir doch keine Sensationen, um unseren Glauben zu stützen. Und wir müssen keine Nachrichten fürchten, die ihn infrage stellen. Meine Überzeugung ist klar:
Der Gott der Bibel ist real – oder gar nicht. Ich habe viel gelesen, viel recherchiert, und noch mehr erlebt. Es gibt keinen Zweifel an der historischen Existenz Jesu. Und keine Weltanschauung hat Gesellschaften und Menschen so positiv geprägt wie der christliche Glaube – bis heute.
Meine Nachforschungen sagen mir, dass es keinen Zweifel an der geschichtlichen Existenz Jesu gibt und auch nicht daran, dass der christliche Glaube die einzige Religion und Weltanschauung ist, die umfassend zu positiven Entwicklung von Gesellschaften und Individuen beigetragen hat und das noch immer tut. Meine persönliche Erfahrung als Christ sagt mir zudem, dass es trotz aller offenen Fragen nichts logischeres, abenteuerliches und schöneres gibt, als Jesus nachzufolgen.
Ich möchte dich ermutigen:
Verbringe weniger Zeit mit Sensationsnachrichten und mehr mit der Heiligen Schrift und im Gebet.
Lass dich nicht treiben von Angst oder Bestätigungssucht. Höre anderen aufmerksam zu und prüfe, was du teilen möchtest, bevor du es teilst. Betrachte die Entwicklungen unserer Zeit durch die Linse der biblischen Wahrheit und nicht nur deine Lieblingsmedien. Wage es, andere Meinungen anzuhören. Dann werden deine Gebete präziser, dein Herz klarer, und dein Zeugnis glaubwürdiger. Der Rat des Paulus, alles zu prüfen, ist ein guter Rat.
Noch ein Wort zur aktuellen Lage in Israel.
Ich bin erschüttert darüber, wie widersprüchlich die Berichterstattungen über die Vorgänge in Israel oft sind – teilweise stehen sie einander diametral entgegen. Ich bin entsetzt über offensichtliche Lügen.
Ich frage mich immer wieder: Wem kann ich glauben? Wer sagt was und aus welchem Grund? Woher stammen Bilder und Berichte? Und vor allem: Wie soll ich beten?
Inmitten all dieser Stimmen nehme ich die Bibel zur Hand – und bete auf Grundlage dessen, was sie über das Volk Gottes und über seine Nachbarn sagt. Eine wunderbare Passage dazu findet sich in Jesaja 19,23–25.
An jenem Tag wird es eine Straße von Ägypten nach Assur* geben. Assur wird nach Ägypten und die Ägypter nach Assur kommen, und die Ägypter werden mit Assur ⟨dem HERRN⟩ dienen. An jenem Tag wird Israel der Dritte sein mit Ägypten und mit Assur, ein Segen inmitten der Erde. Denn der HERR der Heerscharen segnet es und spricht: Gesegnet sei Ägypten, mein Volk, und Assur, meiner Hände Werk, und Israel, mein Erbteil!
Mit Liebe, Rainer
*Umfasst heute vor allem Teile von Nordirak, Nordostsyrien, Südosttürkei und Westiran
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