Stirbt das Internet?
- Rainer Harter

- 27. Okt.
- 3 Min. Lesezeit

Ich erinnere mich:
um 1981 kaufte ich mir meinen ersten „Heimcomputer“ - einen damals modernen Atari 400 mit Folientastatur.
1986 begann ich beruflich mit PCs zu arbeiten, beginnend mit einem Compaq Deskpro 286. Damit programmierte ich CNC-Maschinen und arbeitete mit AutoCAD.
Ab 1991 - zwei Jahre bevor das Internet für jedermann zugänglich wurde - war das Forschungsinstitut, in dem ich arbeite bereits online. Mail und Filetransfer-Dienste wurden genutzt und mit dem „Netscape Navigator“ wurde das Internet ab 1993/94 bunt, interaktiv und massentauglich.
Es war eine spannende Zeit: Foren und Newsgroups schossen wie Pilze aus dem Boden und 94 tauchte dann „PowWow-chat“ auf, mittels dem man plötzlich live mit Menschen überall auf der Welt chatten konnte. Ich erinnere mich noch gut daran, wie aufregend es war, mit Menschen von den Jungferninseln oder aus den USA zu chatten.
Über Jahrzehnte verlief die technische Entwicklung rund ums Internet dann erstaunlich stabil. Schnellere Leitungen, bessere Browser, schönere Webseiten – aber keine Revolution. Bis die Künstliche Intelligenz kam.
Ich arbeite länger schon viel mit KI, weil sie viele meiner Aufgaben wie zum Beispiel Recherchen, Textkorrekturen, Ideenfindungen erleichtert.
Aber es gibt besonders eine Seite der KI-Nutzung, die mich immer mehr stört. Es ist der KI produzierte „Slop“ (Matsch).
Slop umfasst verschiedene Formen von KI-generierten Texten, Bildern, Videos etc., die massiv und schnell produziert werden. Dabei steht Quantität im Vordergrund, was auf Kosten der Qualität der Inhalte geht: Hauptsache möglichst viel posten. Ob wahr ist, was gepostet wird oder nicht, ist egal, man will Aufmerksamkeit gewinnen. Und der einzige Mehrwert, den der Slop mit sich bringt, ist das schnelle Geld. Durch das content-Trommelfeuer werden Suchmaschinen oder Social-Media-Algorithmen ausgenutzt, um so durch Klickzahlen monetäre Gewinne zu machen.
Schon die von Menschen gemachten Inhalte beispielsweise in den sozialen Medien sind ein schier unüberschaubarer Haufen von Informationen, von denen viele zugleich ein Haufen Mist sind. Zunehmend aber fällt nun auf, dass der KI-erstellte content geradezu explosionsartig zunimmt. Wer auf Facebook oder Instagram scrollt, stößt auf immer mehr KI-Inhalte und immer weniger echte Beiträge.
Es gibt Stimmen die sagen, dass bis 2026 bis zu 90% des contents KI-generiert sind (Q1). Studien zeigen, dass bereits jetzt zumindest 30–40 % des Text-Contents auf aktiven Webseiten AI-generiert sein könnten (Q2).
Sollte die Entwicklung tatsächlich so rasant in dieser Richtung weitergehen, dann stirbt das Internet, wie wir es heute kennen. Es erstickt unter Datenmüll. Webseiten brauchen dann beispielsweise keine Grafikelemente mehr, denn es reicht aus, wenn Webseiten ausschließlich Text enthalten, der vom KI-Browser ausgewertet wird - die Webseite selbst besucht sowieso niemand mehr.
Instagram, Facebook, Twitter usw werden vermehrt zu Räumen, in denen man immer weniger menschliche Inhalte findet und immer mehr abstrusen Unsinn. Und: die Glaubwürdigkeit von Inhalten des www geht verloren, denn jeder, der heute mit KI arbeitet weiß, dass KI halluziniert und dir noch dazu genau das sagt, was du hören möchtest - ob das auch wahr ist, steht auf einem anderen Blatt.
Aber: wäre der Tod des Internets, wie wir es heute kennen, tatsächlich so schlimm?
Nehmen wir noch einmal das Beispiel Social Media: Wer sich aufgrund des vielen Slop genervt aus den Netzwerken zurückzieht, riskiert zwar den Verlust von (oft nur scheinbarer) Sichtbarkeit, dafür aber gewinnt er etwas unbezahlbares, echtes: Zeit.
Zeit für echte Begegnungen, für Gespräche, für Sport und all das, was keine Maschine nachbilden kann. Der Stress und auch der ständige Druck, bei jedem Trend mitmachen zu müssen und darüber Bescheid zu wissen, was gerade auf Social Media gehypt wird, nimmt an und die neue Seuche FOMO (die Angst, etwas zu verpassen) stirbt vielleicht wieder aus.
Ich weiß nicht, wie sich das alles entwickeln wird. Vermutlich anders, als ich es mir vorstellen kann. Aber eines merke ich deutlich: je mehr das Netz sich mit künstlichen Inhalten füllt, desto weniger zieht es mich hinein.
Aber vielleicht stirbt das Internet auch gar nicht. Vielleicht gibt es ja bald eine Art Boykott von KI-Inhalten und das Netz verwandelt sich wieder.
Alles Liebe. Rainer



Kommentare