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Welchem Jesus folgen wir?

  • Autorenbild: Rainer Harter
    Rainer Harter
  • 29. Sept.
  • 3 Min. Lesezeit

Die Frage klingt vielleicht komisch.


Doch wenn wir ehrlich sind, zeigt ein Blick in die Kirchengeschichte: Das Bild von Jesus hat sich immer wieder verändert. Fast jede Generation ihr Bild von Jesus ein Stück weit ihrem Denken, ihrer Erfahrung, ihren Hoffnungen und ihrer Kultur angepasst.


Im Mittelalter beispielsweise stand er vor allem als strenger Richter im Mittelpunkt. Durch Fresken und Predigten wurden die Menschen damals häufig an das letzte Gericht erinnert. In der Aufklärung gab man ihm ein ganz anderes Erscheinungsbild: er wurde zum moralischen Vorbild und auf die Rolle des weisen Philosophen reduziert. Später, in der liberalen Theologie des 19. Jahrhunderts, sprach man vom „freundlichen Nazarener“, der die Liebe predigte. Der biblische Jesus wurde zu einer Gestalt, die kaum noch etwas mit dem Sohn Gottes zu tun hatte, von dem die Evangelien erzählen. Und heute, in unserer postmodernen Welt, begegnet uns oft ein „Jesus light“: ein toleranter Freund, der uns nicht vor  Konsequenzen stellt, sondern uns sein lässt, wie wir sein wollen und der immer für uns da ist.


Woran machen wir unser Jesus-Bild fest? Die vielen Büchern, die schon über ihn geschrieben wurden sind keine sichere Hilfe, denn in kaum zwei davon begegnen wir demselben Jesus.


Es gibt sogar Studien, die deutlich machen, wie sehr die Wahrnehmungen abweichen. Das Pew Research Center beispielsweise fand 2023 heraus, dass zwar viele Menschen in westlichen Gesellschaften positiv über Jesus sprechen, aber nur noch eine Minderheit ihn als Sohn Gottes anerkennt oder seine Aussagen für verbindlich hält.

In Deutschland ergab die EKD-Mitgliederstudie 2021, dass lediglich ein Drittel der Kirchenmitglieder Jesus als den Auferstandenen glaubt. Die Mehrheit versteht ihn eher als Symbol oder ethisches Vorbild.


Und dann gibt es noch den biblischen Jesus, der seit 2.000 Jahren unverändert ist: Voller Liebe und zugleich kompromisslos. Gnade schenkend und zur selben Zeit alles fordernd. Freundlich und gleichzeitig absolut wahrhaftig. Die Bibel ist die sicherste Informationsquelle, wenn es darum geht, Jesus kennenzulernen. Die Evangelien wurden von seinen Jüngern oder deren Freunden aufgrund der Erzählungen aus erster Hand geschrieben.


Der biblische Jesus ist alles andere als harmlos. Er ruft seine Jünger, „alles zu verlassen“ (Mk 1,17–18). Er fordert uns auf: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“ (Mt 5,44). Er spricht klare Worte über Nachfolge: „Wer sein Leben festhalten will, der wird es verlieren“ (Mk 8,35). Und er bekennt unmissverständlich: „Niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,6).


Genau diese Worte machen vielen heute Mühe. Sie wirken unpassend in einer pluralistischen, individualistischen Gesellschaft. Vielleicht erklären wir sie deshalb gern weg oder deuten sie weich. Doch wenn wir den Jesus der Bibel entschärfen, verlieren wir am Ende den einzigen, der uns erlösen kann und den, der uns Leben in Fülle verheißt (Joh 10,10).


Der Historiker Jaroslav Pelikan hat einmal treffend gesagt: „Wenn Christus nur das ist, was jede Generation aus ihm machen will, dann kann er nicht der sein, der er wirklich ist.“¹


Ich möchte mit der oben gestellten Frage eine Einladung aussprechen: Welchem Jesus folgst du? Denk einmalig darüber nach. Dem kulturell gezähmten, oder dem lebendigen Sohn Gottes, der dich herausfordert, heilt, konfrontiert und liebt?


Es ist Zeit, die Evangelien wieder neu zu lesen – ohne Filter, ohne kulturelle Entschärfung. Dort begegnet uns ein Herr, der uns ruft, ihm zu vertrauen und unser Leben an ihn zu hängen. Einer, der das Leben in Person ist.


Alles Liebe

Rainer



¹ Jaroslav Pelikan, Jesus Through the Centuries: His Place in the History of Culture (1985).

 
 
 

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