Wir glauben alle an denselben Gott
- Rainer Harter

- 22. Sept.
- 5 Min. Lesezeit

Die Worte der Überschrift scheinen eine elegante Lösung für die unbequeme Auseinandersetzung mit dem herausfordernden Exklusivitätsanspruch des christlichen Glaubens zu sein.
„Alle Religionen offenbaren Aspekte der Gottheit“ ist ein weiterer, vordergründig friedenstiftender Ansatz, um Gläubigen anderer Religionen nicht ihren Glauben abzusprechen und um nicht selbst in den Verdacht der Überheblichkeit und Engstirnigkeit zu geraten.
Diese und ähnliche Gedanken sind einerseits ehrenwerte Versuche, Anhängern anderer Religionen Respekt zu zollen. Gleichzeitig halten sie einer genaueren Betrachtung aber nicht stand.
Denn die Frage ist nicht nur, wie respektvoll wir miteinander umgehen, sondern auch, ob es eine absolute Wahrheit über Gott gibt und ob die Aussagen der jeweiligen Religionen wahr sind. Wenn es um die Frage nach Gott geht, geht es immer auch um Wahrheit – und Wahrheit kann nicht „A“ und gleichzeitig „Nicht-A“ sein.
Deshalb ist es entscheidend, ob die zugrunde liegenden Gottesbilder überhaupt vereinbar sind. Wer einen Blick in die Schriften und Überlieferungen der großen Religionen wirft, erkennt schnell: Das Gottesbild beispielsweise des Islam unterscheidet sich grundlegend von dem des Christentums. Der Gott des Koran ist kein Vater, und Jesus ist aus dessen Sicht nicht Gottes Sohn. Im Buddhismus steht überhaupt kein persönlicher Gott im Zentrum, und im Hinduismus begegnen wir einer Vielzahl von Göttern und Göttinnen. Bereits in diesen wenigen von vielen Punkten geht es nicht einfach um Nuancen derselben Wahrheit, sondern um gegensätzliche Vorstellungen.
Der christliche Glaube steht und fällt mit der Aussage Jesu: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Johannes 14,6).
Würde man diese Exklusivität relativieren, verliert das Evangelium seinen Kern. Denn die gute Nachricht ist gerade, dass Gott selbst in Jesus Mensch geworden ist, um uns zu sich zu holen. Wäre Jesus nur ein Weg unter vielen, dann wäre sein Tod am Kreuz nur ein tragisches Ereignis der Geschichte und seine Auferstehung und Vergebung wäre letztlich bedeutungslos.
Mir kam die Idee, Jesus, den Buddha, Mohammed und einen Hindu für ein fiktives Gespräch an einen Tisch zu setzen. Ich wollte ihnen beim Versuch zuhören, um des Friedens und des gegenseitigen Respekts willen ihre Glaubenswege zusammenzuführen. Hier ist das Resultat:
Mohammed: „Lasst uns überlegen, ob wir unsere Wege zusammenführen können. Vielleicht verehren wir doch denselben Gott – nur auf unterschiedliche Art. Wenn wir die Unterschiede beiseitelassen und uns auf das Gemeinsame konzentrieren, könnte die Menschheit in Frieden zusammenfinden.“
Siddhartha Gautama (Buddha): „Ein interessanter Gedanke. Mein Weg ist allerdings gar nicht auf Gott gerichtet. Es geht darum, durch Achtsamkeit und Loslassen die Ursachen des Leidens zu überwinden. Vielleicht könnten wir sagen: Ob Gott nun existiert oder nicht, ist zweitrangig – Hauptsache, die Menschen finden innere Ruhe und Mitgefühl.“
Jesus: „Aber genau da liegt der entscheidende Unterschied. Mein Weg ist nicht bloß eine Methode, Leiden zu bewältigen. Ich bin gekommen, um die Menschen mit Gott, dem Vater, zu versöhnen. Wenn man Gott leugnet oder ihn so fern und unpersönlich macht, verliert das Herz meiner Botschaft seinen Sinn.“
Mohammed: „Ich kann da auch nicht mit. Aber genauso wenig bei dem, was Jesus sagt, denn im Koran ist Gott der Eine, unvergleichlich und erhaben. Er hat keinen Sohn. Jesus, deine Rede von Kreuz und Auferstehung ist für mich nicht akzeptabel. Gott vergibt, wem er will – nicht durch das Opfer seines Sohnes.“
Jesus: „Aber genau darin liegt das Heil: dass Gott in mir selbst Mensch geworden ist und am Kreuz stellvertretend für die Schuld aller gestorben ist. Ohne diesen Weg gäbe es keine endgültige Versöhnung. Wenn Gott keinen Sohn hätte, gäbe es auch kein Kreuz – und dann gäbe es keine Rettung.“
Siddhartha Gautama: „Vielleicht könnten wir sagen: Gott – oder das, was ihr ‚Gott‘ nennt – ist nur ein anderes Bild für das höchste Ziel, die Auflösung des Leidens und das Erwachen. Dann wären unsere Wege zwar verschieden, aber letztlich führten sie zum selben Gipfel.“
Mohammed: „Das kann ich nicht akzeptieren. Für mich ist Gott ein personales Wesen, der Schöpfer von Himmel und Erde. Er ist nicht bloß ein Symbol für Erleuchtung.“
Jesus: „Und ich kann es ebenso wenig. Gott ist nicht eine Idee, die wir uns aussuchen können. Würden wir deine Deutung übernehmen, Gautama, verlören wir beide – Mohammed und ich – das Fundament unserer Botschaft.“
Ein Hindu: „Vielleicht bringt mein Gedanke uns weiter: Wir im Hinduismus glauben an viele Götter und Göttinnen. Aber letztlich sind sie nur unterschiedliche Erscheinungsformen desselben Göttlichen. Könnte man nicht auch euch drei als verschiedene Gesichter desselben großen Geheimnisses sehen?“
Mohammed: „Unmöglich. Für mich gibt es nur einen Gott. Ihm etwas beizugesellen – ob Götter oder Söhne – ist die größte Verfehlung.“
Jesus: „Auch ich kann das nicht bestätigen. Ich bin nicht eine von vielen Erscheinungsformen, sondern der Sohn des lebendigen Gottes. Ich bin der einzige Weg – nicht einer unter vielen.“
Siddhartha Gautama: „Und in meinem Weg spielen Götter überhaupt keine Rolle. Ob einer oder viele – beides ist für meine Lehre unerheblich.“
Jesus (abschließend): „Ihr habt recht: Unsere Aussagen widersprechen sich in ihrem Kern. Wahrheit kann nicht gleichzeitig einander ausschließen und doch dieselbe sein.
Darum ist es nicht lieblos, sondern notwendig, wenn meine Nachfolger sagen: Niemand kommt zum Vater außer durch mich (Johannes 14,6). Die Wahrheit muss verkündet werden, denn wenn sie das nicht tun, handeln sie unverantwortlich - und eben nicht respektvoll. Mein Vater will, dass alle Menschen gerettet werden (1. Timotheus 2,4). Deshalb sende ich meine Jünger, die gute Nachricht zu verkünden. Respekt bedeutet nicht, die Wahrheit zu verschweigen. Darum ist Mission kein Übergriff, sondern eine Einladung. Eine Einladung in die Freiheit, die nur Gott selbst schenken kann.“
Dieses kurze imaginäre Gespräch zeigt deutlich: Auch wenn es gut gemeint ist, man kann die Glaubenswege nicht einfach zusammenfügen oder so tun, als wären sie kompatibel. Die grundlegenden Aussagen widersprechen sich zu sehr. Der Exklusivitätsanspruch Jesu ist keine Arroganz, sondern die notwendige Konsequenz seiner eigenen Worte und seines Werkes.
Es versteht sich von selbst, Menschen anderer Religionen mit Achtung und Liebe zu begegnen. Doch Liebe bedeutet nicht, die Wahrheit zu verschweigen. Das Christentum ist von Anfang an die Einladung gewesen durch Jesus Christus in eine lebendige Beziehung mit Gott, dem Vater, zu treten. Das ist kein Ausdruck von Überheblichkeit, sondern von Liebe.
Darum ist es keine Kleinigkeit, den Exklusivanspruch Jesu zu verschweigen oder aufzuweichen. Wer das tut, nimmt dem christlichen Glauben sein Herz. Die Botschaft, dass es Versöhnung mit Gott gibt – und zwar durch Jesus Christus allein – ist nicht nur ein Bekenntnis, sondern eine Hoffnung, die die Welt braucht.
Natürlich stellt sich bei allem Gesagten unweigerlich die Frage danach, ob es so etwas wie Wahrheit überhaupt gibt. Ich gehe davon aus und auch davon, dass sich Wahrheit finden lässt. In Bezug auf Jesu Aussagen gibt es nur wenige Möglichkeiten bezüglich der Frage, ob sie wahr sind:
Jesus hat nie gesagt, dass er der einzige Weg zu Gott ist
Jesus hat sie gesagt, aber sie sind nicht wahr
Seine Jünger haben diese Aussage erfunden
Sie sind wahr
Diese kurze Liste zeigt bereits: Es gibt keine Grauzone. Entweder seine Worte sind wahr oder nicht. Wenn wir als Christen glauben, dass sie wahr sind, muss uns das zu einer eindeutigen Lebensführung und einem mit Jesu Worten übereinstimmenden Bekenntnis der Wahrheit führen - auch dann, wenn wir deswegen missverstanden oder abgelehnt werden.
Ein Mensch kann Wahrheit möglichst objektiv erkennen, wenn er bereit ist, sich nicht nur an eigenen Gefühlen oder kulturellen Vorstellungen zu orientieren, sondern an dem, was sich in der Realität bewahrheitet. Bezogen auf die Frage der Wahrheit des Christentums gehören dazu die Zeugnisse der Schrift, die historische Glaubwürdigkeit von Jesu Leben, Tod und Auferstehung, die innere Übereinstimmung seines Wortes mit dem, was Gottes Geist im Herzen bezeugt und die praktischen Auswirkungen den einzelnen Menschen und ganze Gesellschaften.
Lasst uns als Christen Menschen sein, die freudig und liebevoll für die Wahrheit einstehen, die uns Jesus offenbart hat.
Alles Liebe. Rainer



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